Bald 2 Jahre Post OP- Selbstreflexion-Verhaltensmuster?

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    • Bald 2 Jahre Post OP- Selbstreflexion-Verhaltensmuster?

      Am 4.3.2023 ist meine OP zwei Jahre her, also in etwa zweieinhalb Monaten. Damit gehöre ich noch nicht zu den Langzeitoperierten, bin aber auch längst kein Neuling mehr. Ich habe eine Menge Erfahrungen gesammelt und habe hier im Forum wirklich viele Tipps bekommen.

      In letzter Zeit denke ich manchmal darüber nach, was sich verändert hat- insbesondere an meinen Verhaltensweisen. Ich stelle fest, dass es viele unterschiedliche Wege gibt, sein neues Leben zu leben und finde es spannend, wie es auf unterschiedliche Weise bewerkstelligt wird. Dazu sind wir auch mit unterschiedlichen Voraussetzungen ins Rennen gegangen: Größe, Ausgangsgewicht, Vorerkrankungen und die OP-Methode bringen natürlich unterschiedliche Ergebnisse. Zudem spielt es eine große Rolle, wie wir als Mensch ticken. Es gibt die konsequenten, durchsetzungsstarken, fleißigen, beharrlichen, rigorosen, genauen, peniblen Typen und die unbekümmerten, nachlässigen, faulen, hemmungslosen, inkonsequenten, bequemen. Außerdem die ängstlichen, besorgten, vorsichtigen, stillen, gehemmten Leute. Und es gibt Mischtypen.
      Was bin ICH eigentlich?
      Ich komme jetzt wieder pädagogisch um die Ecke und habe mir vor der OP natürlich Gedanken gemacht und mir Ziele gesetzt. Es ist Zeit für eine Zielkontrolle und für eine Selbstreflexion.

      Meine Ziele waren:
      1. gesünder sein (Blutdruck senken, Asthmaprobleme verringern, Knochenschmerzen verringern)
      2. beweglicher sein (Sport treiben können)
      3. leistungsfähiger sein
      4. mich wohlfühlen
      5. Zielgewicht: 70kg oder weniger
      6. Essen und der Gedanke daran soll keine große Rolle mehr spielen.

      Zielkontrolle:
      1. ich bin weitestgehend gesund! Asthma ist nur bei Erkältungskrankheiten (und Corona) spürbar, der Blutdruck ist mit nur 4mg ACE-Hemmer im Normalbereich, Knochenschmerzen sind komplett weg.
      2. Ich bin eine Sportskanone geworden :D ! Ich mache 3x pro Woche Krafttraining, dazu Pilates, Piloxing und gelegentlich Kurse wir TRX, Flying Yoga und andere. Ich fahre kilometerweit Fahrrad und habe eine enorme Ausdauer. Und: es macht alles total Spaß.
      3. Ich starte den Tag mit viel Energie und bin leistungsfähig, viel belastbarer im Beruf und nicht mehr so schnell gereizt.
      4. Die Haut hängt zwar an einigen Stellen, der Bauch wird im März gestrafft. Ich habe jedoch richtig gute Muskeln aufgebaut und finde die anderen Stellen nicht so furchtbar. Ich trage Kleidergröße 36 (vormals 50) und fühle mich fantastisch!
      5. Ich halte seit etwa März mein Gewicht von 57-58kg. Weniger sollte es nicht sein, ich gehe auf die 54 Jahre zu und sehe sonst eingefallen aus.
      6. Essen ist nicht wichtiger als Schlafen oder Bewegung, ich mache mir wenig Gedanken darum.

      Fazit: Alle Ziele wurden mehr als erreicht. Das Leben hat eine Qualität, die ich Ewigkeiten nicht hatte.
      Und nun zu meinen Verhaltensweisen. Wir alle hatten Muster, die uns fett werden ließen. Wie ernähre ich mich nun und was mache ich anders? Sind Muster (Stressessen usw) geblieben?
      Da kommt wieder die Typfrage :D . Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich grundsätzlich und immer nur gesund ernähren. Es gibt wenige Lebensmittel, die ich nicht mehr esse, das sind die zu fettigen Sachen und außerdem Nüsse. Das bereitet mir wirklich Unbehagen.
      Dumpings kenne ich nicht wirklich , höchstens mal ein flaues Gefühl und Geglucker im Bauch. Und ich esse wirklich alles, worauf ich Lust habe und verbiete mir Süsses und Chips genauso wenig wie ein Glas Wein am Abend. Ich mache keine geplanten Essenspausen, wiege nichts ab und snacke gelegentlich. Meine Portionen sind immer noch ziemlich klein (beim Griechen schaffe ich etwa 1/3 Kinderteller). Da ich nie mörderischen Hunger habe, halte ich auch sehr lange ohne Essen aus. Ich gebe zu: ich bin eine sehr unregelmäßige Esserin. Und es stört mich nicht, so ist nun mal mein Leben und mein Charakter: immer und überall gleichzeitig, in Gedanken schon bei der übernächsten Sache, immer in Aktion. Genau genommen passt jetzt mein Körperbau auch endlich zum Charakter. Womit ich es sehr genau nehme, sind
      Supplementierung
      Eiweissaufnahme
      Muskelaufbau.
      Die drei Dinge müssen gewährleistet sein, der Rest muss einfach in mein Leben passen- und dazu gehören eben auch literweise Kaffee und Kekse.
      Ihr seht, vieles hat sich verändert, manches (wie das Naschen) ist geblieben.
      Nach diesem endlosen Text kann ich also sagen:
      Nichts ist perfekt, aber alles ist viel, viel besser! Wenn es nötig wird, bin ich zu Veränderungen bereit. Ich möchte insgesamt noch mehr Gemüse in mein Essen einbauen, das ist ein Ziel für nächstes Jahr.
      Ich bin gespannt, wer hier auch ein Resümee ziehen und sich selbst reflektieren möchte.
      Viel Vergnügen, ihr Lieben ^^
    • Hochverehrte Tina, ich bin einen Monat vor Dir operiert worden. Das heißt, ich habe ebenfalls, laut Ärzten, meine Abnahme mithilfe der OP ausgeschöpft.

      Was ich erreichen wollte, habe ich halbwegs erreicht, wenn auch mit manchen Kompromissen. Dabei mußt Du wissen, daß ich Kompromisse hasse, wie so viele Dinge im Leben, aber die ganz besonders, weil ich dabei nie bekomme was ich wirklich will. Ein Kompromiss bedeutet lediglich, dass nicht alles im Arsch ist, aber eben das Meiste.

      Gesundheitlich geht es mir gut. Zuckerkrankheit ist in Remission, der Rest vom Blutbild ebenfalls unauffällig, bis auf neue Dinge wie zb. durch die Decke schießendes B12 usw.

      Ich kann Sport machen, was Fluch und Segen zugleich ist. Segen, weil ich dazu imstande bin, Fluch weil ich Sport EXTREM hasse, aber ohne ihn, gnadenlos zunehme.
      Zunehme deshalb, weil ich es nach wie vor nicht geschafft habe, gesunden Scheiss zu essen, und den nur in kleinen Mengen.

      Süchtig bin ich nach wie vor. Ja, auch Fresssüchtig. Dank OP reguliert sich diese Sucht aber im Moment NOCH (!) von selbst. Halbwegs zumindest. Mit den neuen Süchten werde ich fertig. Keine davon ist mehr tödlich. Zumindest nicht sofort.

      Ich gestehe, das Positve überwiegt. Endlich kann ich mir Kleidung kaufen die mir gefällt. Ich brauche weder im Vaporetto noch im Theatre Venice zwei Sitzplätze. Es war mir ohnehin nicht klar warum die Sitze dort so klein sind, weil Venezianer nicht so klein sind wie Klischeeitaliener, aber nun brauche ich darüber nie wieder nachdenken.

      Ich bin nach wie vor ungeduldig mit langsamen Menschen und werde rasch wütend wenn ich auf Ungerechtigkeiten treffe, die mich täglich mehrmals in verschiedenen Formen heimsuchen. Früher wurde ich als rotgesichtiger Schwabbel belächelt wenn ich dagegen rebellierte.
      Heute hat mein Auftreten nichts mehr lächerliches an sich.
      Es ist besser respektiert zu werden, als mitleidig belächelt.

      Noch etwas Positives : ich habe keine Angst mehr vor dem Tod. Absolut nicht mehr.
      Als junger Mann war der Gedanke an den Tod, an die ewige Nichtexistenz, die vollkommene Auslöschung sämtlicher Gedanken und Eindrücke unerträglich.
      Heute verspüre ich beim Gedanken an den Tod eine gewisse Trauer. Vergleichbar mit der Trennung von einer Geliebten, mit der man aus diversen Gründen nicht mehr kann.
      Eine Trauer, weil man schöne Zeiten hatte und sie immer noch liebt, aber im innersten weiß, dass es keine Zukunft mehr gibt und die Trennung auf Dauer die einzige Lösung ist.
      Dieser Sinneswandel begann auf dem OP Tisch kurz vor der Narkose und reifte im Laufe der Zeit wie guter Rotwein.

      Ich kämpfe nach wie vor gegen eine Zunahme. Aber derzeit noch (!) mit ungewohnten Erfolg.
      Was das Resume zulässt : die OP war meine letzte Chance und Rettung und ich würde es wieder tun.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Isac ()

    • Danke für deinen Beitrag, der spannend zu lesen ist. Auch der Gedanke mit der Angst vor dem Tod ist für mich nachvollziehbar. Angst vor dem Tod hatte ich, als ich schwer herzkrank und alleinerziehend mit drei Kindern war. Die sind nun alle erwachsen und ich weitestgehend gesund. Die OP hat mir die Möglichkeit gegeben, schöne Erinnerungen zu sammeln. Das mache ich nun und hoffe auf viele schöne Erlebnisse, die mich in den letzen Momenten gedanklich begleiten, bevor der Deckel zuklappt.