Neue S3-Leitlinie zu Opioiden bei Nicht-Tumorschmerzen

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    • Neue S3-Leitlinie zu Opioiden bei Nicht-Tumorschmerzen

      Die gerade aktualisierte S3-Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei Nicht Tumor-bedingten Schmerzen (LONTS) wurde auf dem Schmerzkongress in Hamburg vorgestellt und kontrovers diskutiert. Gemäß den letztendlichen Empfehlungen von LONTS sind die Opioide aber durchaus einsetzbar.

      LONTS unterscheidet eine zeitlich befristete Dauer einer Opioidtherapie (1 bis 3 Monate) von einer Langzeitanwendung, erläutert der Mitautor PD Dr. med. Winfried Häuser, Saarbrücken. Durch Studien gesicherte mögliche Indikationen für Therapien mit opioidhaltigen Schmerzmitteln sind chronische Schmerzen bei diabetischer Nervenschädigung (PNP), Arthrose sowie Rückenschmerzen, eventuell noch bei Postzosterneuralgie, „dann wird die Datenlage dünn“. Diese Studien liefen über einen Zeitraum von maximal 12 bis 15 Wochen.

      Wirksamkeit: Eine Frage des Schwellenwerts?

      Schaut man sich die Studien genauer an, so Häuser, dann erreichten beim chronischen Arthroseschmerz die Opioide bei 25,1% der Patienten eine 50-prozentige Schmerzreduktion gegen 25,7% bei Plazebogabe; also ohne signifikanten Unterschied. Allerdings ist der Schwellenwert, gibt Häuser zu, mit 50% Reduktion auch sehr hoch angesetzt. Die entsprechenden Zahlen beim chronischen Rückenschmerz lauten 26,2% bei Verum gegenüber 21,0% bei Plazebo.
      „Über eine Langzeitgabe von Opioiden bei diesen Indikationen – etwa über sechs Monate – gibt es keine plazebokontrollierten, randomisierten Studien.“ Allerdings gibt es Head-to-Head-Vergleiche, so eine offene Studie an 675 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die transdermales Fentanyl oder orales Morphin erhielten. Den harten Endpunkt der 50%-Reduktion der Schmerzen erreichten in beiden Kollektiven 37%.
      Ebenso konnten im Direktvergleich Tapendatol versus Oxycodon, offen angewendet über 52 Wochen bei chronischen Rücken- oder Arthroseschmerzen, die Opioide die Schmerzintensität auf der NRS (0-10) von 7,6 (Baseline) auf 4,4 bzw. 4,5 senken. In allen zitierten Studien wurden keine Todesfälle oder suchttypisches Verhalten dokumentiert. Erheblich waren immer – mit präparatspezischen Varianzen – die Nebenwirkungen. In der letztgenannten Studie betrug die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen 23% unter Tapentadol und 37% im Oxycodonkollektiv.
      Das LONTS-Update kommt zu der Schlussfolgerung, dass eine langfristige (> 3 Monate) Opioidtherapie sinnvoll ist, sofern der Patient respondiert und die jeweilige Substanz verträgt. Immer sollte jedoch eine multimodale Therapie praktiziert werden, die nach sechs Monaten eine Dosisreduktion oder einen Auslassversuch ermöglichen könnte.

      Vergleiche des Unvergleichbaren

      Kontrovers wurden die Vergleiche zwischen Opioiden und Nicht-Opioden diskutiert. LONTS sieht hier oftmals keinen Unterschied in der Wirksamkeit, bei besserer Verträglichkeit der NSARs. Genauer: bei Arthrose waren die NSARs Tramadol bezüglich der Schmerzreduktion sogar überlegen. Studiendauer war bei den einbezogenen Untersuchungen vier bis zwölf Wochen, was per LONTS-Definition keinen Langzeitgebrauch darstellt.
      Kritische Stimmen, etwa von PD Dr. med. Michael A. Überall, Nürnberg, merken an, dass bei der Datenzusammenstellung oftmals Birnen mit Äpfeln verglichen wurden. Als Beispiel nannte Überall einen Zusammenschnitt zweier Studien, deren Ergebnisse verglichen wurden, obwohl die Voraussetzungen völlig disparat waren. LONTS stellte die gleiche Wirksamkeit von Fentanyl-Pflaster und Paracetamol bei Kniegelenks-Arthrosen fest, weil beide Studien für diese Präparate eine gleiche Schmerzreduktionsrate ermittelten. „Nicht beachtet wurde jedoch“, moniert Überall, „dass die Patienten-Einschluss-Kriterien in der Paracetamol-Untersuchung lauteten: es müssen Paracetamol-Responder sein. Bei der Fentanyl-Studie waren jedoch Patienten eingeschlossen, die bislang auf kein Medikament angesprochen hatten. Dies sind völlig andere Patienten-Selektionen.“ Diese Ergebnisse als gleichwertig miteinander zu vergleichen sei unwissenschaftlich, betont der Neurologe, und benannte damit ein generelles Problem der Metaanalytik.

      Schlussfolgerung: individuelle Therapieentscheidung

      Im Resümee gibt sich LONTS jedoch wieder offen: „Die Wahl der Pharmakotherapie soll unter Berücksichtigung des vorliegenden chronischen Schmerzsyndroms, der Begleiterkrankungen des Patienten, von Kontraindikationen, Patientenpräferenzen, Nutzen und Schaden bisheriger Therapien und dem Nutzen-Risiko-Profil von medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapiealternativen erfolgen.“

      Ein Argument gegen den übermäßigen Gebrauch von Opioiden ist der Suchtmissbrauch sowie ein Übergebrauch mit eventuell sogar letalem Ausgang. Prof. Dr. Hardo Sorgatz, Darmstadt, wies zwar auf den gestiegenen pro Kopf-Verbrauch in Deutschland in den letzten Jahren hin. Es hat sich jedoch hier ein Plateau gebildet und es ist keine Zunahme an Todesfällen zu konstatieren. Relevant im Vergleich mit den USA, wo zahlreiche Opioid-Probleme dokumentiert werden, ist die hierzulande übliche Applikation von retardierten Formulierungen. Durch die sich daraus ergebenden gleichmäßigen Wirkspiegel besteht die Gefahr des Missbrauchs als Suchtmittel in weitaus geringerem Ausmaß.

      Quelle: springermedizin.de
    • Nachdem mein PC wieder funktioniert, kann ich auch die vollständige S3-Leitlinie einstellen. :sitzampc:
      Dateien
      • Leitlinie.pdf

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