Alkoholsucht: S3-Leitlinie zur Prävention und Behandlung

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    • Alkoholsucht: S3-Leitlinie zur Prävention und Behandlung

      Bei riskantem Alkoholkonsum werden Kurzinterventionen zur Prävention empfohlen.

      In wenigen Wochen wird erstmals eine deutsche S3-Leitlinie zur Prävention und Behandlung von Alkoholabhängigkeit veröffentlicht. Beim Deutschen Suchtkongress in Berlin gaben Experten einen ersten Einblick zu wichtigen Inhalten.

      Die S3-Leitlinie zur Prävention und Behandlung von Alkoholabhängigkeit, an der zahlreiche Fachgesellschaften unter dem Dach der AWMF mitgewirkt haben, äußert sich unter anderem zu präventiv ausgerichteten Kurzinterventionen, zur qualifizierten Entzugstherapie sowie zu postakuten Therapien.
      Bei den präventiven Kurzinterventionen, die sowohl von Allgemeinmedizinern und niedergelassenen Psychiatern als auch beispielsweise im Rahmen der betriebsärztlichen Versorgung am Arbeitsplatz durchgeführt werden können, sei die Evidenzlage in weiten Teilen gut bis sehr gut, betonte PD Dr. Hans-Jürgen Rumpf von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Lübeck. Die meisten Studien gibt es zu Kurzinterventionen bei Menschen mit riskantem Alkoholkonsum. „Hier haben wir eine ganz klare A-Empfehlung: Kurzinterventionen sollen bei Menschen mit riskantem Konsum durchgeführt werden, um eine Alkoholabhängigkeit zu verhindern“, so der Experte.
      B-Empfehlung bei Rauschtrinkern
      Nicht ganz so eindeutig ist die Situation bei Rauschtrinkern („Quartalssäufern“). Hier gibt es zwar ebenfalls zahlreiche Studien. Sie konzentrieren sich aber oft auf selektierte Populationen, meist Studenten, und sind deswegen nicht generalisierbar. Trotzdem reichte es auch hier für eine B-Empfehlung, also ein „sollte angeboten werden“.
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      Professor Norbert Wodarz von der Abteilung Suchtforschung der Universität Regensburg berichtete über die Leitlinienempfehlungen zur qualifizierten Entzugsbehandlung, bei der die akute Entgiftung mit einer anschließenden Psychotherapie kombiniert wird. Dieses „qualifizierte“ Konzept gebe es in angloamerikanischen Ländern in dieser Art nicht, so Wodarz. Entsprechend wenige Studien sind in der Literatur zu finden, sodass die S3-Leitlinie ihre Empfehlungen hier überwiegend auf einen klinischen Konsens stützt.
      Demnach sollte eine Entgiftung stationär erfolgen, wenn das Risiko eines alkoholbedingten Entzugsanfalls oder Entzugsdelirs besteht. „Ein wichtiger Faktor dabei ist die Frage, ob so ein Ereignis schon einmal aufgetreten ist“, so Wodarz. Alle anderen Patienten können im Prinzip ambulant entzogen werden, sofern die Einrichtung damit Erfahrung hat.
      Entzugstherapie über 21 Tage
      Veranschlagt werden sollten für die qualifizierte Entzugsbehandlung laut Leitlinie 21 Tage. In puncto Medikation kommen in der Akutphase vor allem Benzodiazepine und Clomethiazol zum Einsatz. Bei deliranten Symptomen (Halluzinationen, Wahn, Agitation) wird geraten, Benzodiazepine mit Antipsychotika (vor allem Haloperidol und Butyrophenon) zu kombinieren. Von Alkohol als Medikament im akuten Entzug wird abgeraten.

      In der Postakutbehandlung betone die S3-Leitlinie mit höchstem Evidenzgrad den Primat der Abstinenz als übergeordnetem Therapieziel, sagte Peter Missel vom Verhaltensmedizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit der AHG Kliniken Daun. Nur dann, wenn eine Abstinenz derzeit nicht möglich ist oder wenn ein schädlicher oder riskanter Konsum vorliegt, könne auch die Reduktion der Trinkmenge als Therapieziel im Sinne einer Schadensminimierung angestrebt werden.
      Als klinischen Konsens empfiehlt die Leitlinie, psychiatrische Komorbiditäten bei Patienten während der Alkoholentwöhnung mitzubehandeln: „Der Arzt sollte sich also nicht erst um den Alkohol und dann um die psychische Komorbidität kümmern, sondern im Sinne einer integrierten Behandlung beides adressieren.“
      Klar widersprochen wird der Annahme, dass eine postakute Therapie einschließlich Entwöhnung im höheren Alter nichts mehr bringe. „Eine solche Behandlung sollte älteren Menschen im Gegenteil mit Verweis auf die überdurchschnittlich gute Therapieprognose angeboten werden“, so Missel.
      Motivationale Interventionen sowie die kognitive Verhaltenstherapie stehen im nicht medikamentösen Segment an erster Stelle. Beide erhalten starke Empfehlungen mit höchstem Evidenzgrad. Bei den Medikamenten gibt es für Acamprosat und Naltrexon eine B-Empfehlung mit höchstem Evidenzgrad. Beim Therapieziel Trinkmengenreduktion könne im ambulanten Setting Namelfen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans angeboten werden. Dies ist als klinischer Konsenspunkt formuliert.

      Quelle: Ärzte Zeitung