So sicher sind klinische Studien in Deutschland

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    • So sicher sind klinische Studien in Deutschland

      Bei einem Medikamententest in Frankreich ist kürzlich ein Teilnehmer gestorben - das schreckt auch die Menschen auf in Deutschland, das weltweit das zweitwichtigste Land für klinische Arzeiforschung ist. Hierzulande gilt Safety first - absolute Garantien gibt es aber nicht.

      Von Helmut Laschet
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      Die Pille im Blick: Im Jahr 2014 wurden 693 Studien von der Industrie in Deutschland gestartet. © Soeren Stache / ZB / dp

      NEU-ISENBURG. Nach den USA ist Deutschland weltweit das zweitwichtigste Land für klinische Arzneimittelforschung. Mehrere 10.000 Probanden nehmen jedes Jahr als Patienten, aber auch als Gesunde an klinischen Prüfungen teil.
      In manchen medizinischen Indikationen, etwa in der Onkologie, die seit einigen Jahren eine besonders produktive Forschungs- und Entwicklungsarbeit leistet, ist ein hoher Anteil von Patienten in Arzneimittelstudien eingeschlossen.
      Umso mehr hat ein schwerwiegender Zwischenfall in Frankreich aufgeschreckt: Kürzlich war bekannt geworden, dass sechs Teilnehmer an einer französischen Phase-I-Studie mit schwerwiegenden Nebenwirkungen in die Universitätsklinik von Rennes eingeliefert wurden. Einer von ihnen wurde für hirntot erklärt und starb kurz darauf.
      Bei dem untersuchten Arzneimittel handelt es sich um einen Hemmstoff des körpereigenen Enzyms Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH), das am Abbau der körpereigenen Endocannabinoide beteiligt ist. Einer Hemmung dieses Enzyms werden unter anderem schmerzstillende Wirkungen zugeschrieben.
      Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM) werden in Deutschland aktuell keine Studien mit diesem Arzneimittel durchgeführt. Allerdings hat das BfArM insgesamt sieben klinische Prüfungen mit FAAH-Inhibitoren genehmigt, die alle bereits beendet sind.
      In keiner dieser klinischen Prüfungen in Deutschland waren schwere Zwischenfälle bei Patienten oder gesunden Probanden berichtet worden.
      Wie es in Frankreich zu dem tödlichen Zwischenfall kommen konnte und was genau die Ursachen dafür sind, wird derzeit noch untersucht.
      Fest steht allerdings auch, dass derartige Ereignisse ausgesprochen selten sind und nicht zuletzt deshalb Aufmerksamkeit erregen.

      Elf Jahre ohne Zwischenfall
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      In den mehr als 10.000 klinischen Prüfungen, die das deutsche BfArM in den vergangenen elf Jahren genehmigt hat - darunter befinden sich mehr als 2700 klinische Prüfungen mit mehr als 100.000 gesunden Freiwilligen -, hat das BfArM nach eigenen Angaben keinen einzigen schweren Zwischenfall dieser Art und Schwere beobachtet.
      Nach zuletzt im Jahr 2007 noch einmal erhöhten Sicherheitsanforderungen wurden in der EU mehr als 12.000 klinische Prüfungen der Phase I, also mit gesunden Probanden, durchgeführt, ohne dass ein schwerwiegender Zwischenfall berichtet worden sei, so das BfArM.
      Für die Sicherheit der Studienteilnehmer soll ein dichtes Netz an international verbindlichen Regulatorien bürgen: Das sind in der Europäischen Union die Richtlinien 2001/20 EG über die Anwendung der guten klinischen Praxis und 2005/28 EG über die Grundsätze und Leitlinien der guten klinischen Praxis.
      EU-Richtlinien werden jeweils über nationale Gesetze verbindlich, in Deutschland mit dem Arzneimittelgesetz in den Paragrafen 40 bis 42b.

      Genehmigung nötig


      Generell gilt: Jede klinische Prüfung muss vor ihrem Start von der zuständigen Arzneimittelbehörde - dem BfArM oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) - und einer Ethikkommission genehmigt werden.
      Die Ethikkommission prüft insbesondere , ob der Prüfplan, die Prüferinformation und die Auswahl der Probanden dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen und ob die Prüfung geeignet ist, den Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Arzneimittels einschließlich einer unterschiedlichen Wirkungsweise bei Männern und Frauen zu erbringen.
      Vor allem muss die Ethikkommission die Voraussetzungen von Paragraf 40 als erfüllt ansehen:
      - Abwägung vorhersehbarer Risiken und Nachteile für den Probanden mit der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde,
      - keine erwartbaren und unvertretbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit Dritter und die Umwelt,
      - Volljährigkeit und Einsichtsfähigkeit der Probanden, schriftliche Aufklärung und Einwilligung.

      Nur unter ärztlicher Aufsicht
      Die klinische Studie muss in einer geeigneten Einrichtung mit einem angemessen qualifizierten Prüfer verantwortlich durchgeführt werden; der Prüfer muss eine mindestens zweijährige Erfahrung mit klinischen Prüfungen haben.
      Jeder Prüfer muss zuvor von einem für die pharmakologisch-toxikologische Prüfung verantwortlichen Wissenschaftler über deren Ergebnisse und die voraussichtlich mit der Studie verbundenen Risiken informiert werden. Für die medizinische Versorgung der Probanden muss ein Arzt verantwortlich sein.
      Bei kranken Probanden muss das zu prüfende Arzneimittel nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein, das Leben zu retten, die Gesundheit wiederherzustellen oder das Leiden zu erleichtern.
      Unter engen Voraussetzungen können auch Minderjährige und nicht einwilligungsfähige Probanden in Studien der Phase II und III eingeschlossen werden.
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      Quelle: Ärztezeitung beim Springer Verlag
      aerztezeitung.de/politik_gesel…studien-deutschland.html#aerztezeitung.de/politik_gesel…studien-deutschland.html#
    • Ein weiterer Bericht zu diesem Thema:

      Medikamentenstudien

      "Dramatische Nebenwirkungen sind extrem selten" Von Christiane Fux

      In Frankreich erlitten fünf gesunde Männer nach Einnahme eines neuen Wirkstoffs schwere Hirnblutungen, einer starb. Trotzdem seien solche Tests unverzichtbar, erklärt Dr. Rolf Hömke *, Pressesprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller im Gespräch mit NetDoktor.

      Herr Dr. Hömke, der Vorfall im französischen Rennes ist tragisch, vor allem weil die Männer vor Einnahme des Wirkstoffs kerngesund waren. Wie kann die Arzneimittelforschung es ethisch vertreten, Gesunde einem möglicherweise tödlichen Risiko auszusetzen?
      Vorab möchte ich sagen: Wir sind bestürzt, was den Teilnehmern geschehen ist und hoffen, dass es den vier Betroffenen, die seit dem Zwischenfall behandelt werden, bald wieder besser geht.
      Zu Ihrer Frage: Medikamente werden entwickelt, um kranken Menschen zu helfen oder – im Fall von Impfstoffen – um Gesunde zu schützen. Nur das rechtfertigt es grundsätzlich, Menschen dabei einem Risiko auszusetzen. Im Einzelfall darüber zu entscheiden ist die Aufgabe von Ethikkommissionen und Arzneimittelbehörden, die jede Studie mit Menschen prüfen und genehmigen müssen, ehe sie stattfinden kann.

      Was wird getan, um Teilnehmer an Medikamentenstudien zu schützen?
      Für die Studien gibt es streng regulierte Genehmigungsverfahren. Das Wichtigste ist: Jeder neue Wirk- oder Hilfsstoff darf erst mal gar nicht mit Menschen in Kontakt kommen. Voran gehen eine ganze Reihe vorgeschriebener Tests mit Zellkulturen und verschiedenen Tierarten. Alles, was da auffällig wird, wird ausgemustert. Damit sind eine ganze Reihe von Substanzen, die auch Menschen Probleme bereiten würden, schon mal aus dem Rennen.
      Der Weg von der Idee im Labor bis zum zugelassenen Medikament zieht sich im Schnitt über mehr als 13 Jahre hin. Etwa auf halbem Wege kommt dabei der Punkt, an dem der erste Mensch das neue Medikament einnehmen muss. Und wenn irgend möglich, sollte das ein Gesunder sein.

      Warum nicht jemand, der bereits unter der entsprechenden Krankheit leidet? Der würde zumindest gleich von einem solchen Medikament profitieren.
      In einigen Fällen wird das tatsächlich so gemacht. Bei manchen Krebsmedikamenten beispielsweise wird gleich mit Patienten getestet, wenn bei ihrer Anwendung schwere Nebenwirkungen wie Brechreiz oder Haarausfall unvermeidlich sind. Die wären einem Gesunden kaum zumutbar. Ein Schwerstkranker hingegen sagt sich vielleicht: „Lieber ein Medikament, das mich durchschüttelt, aber vielleicht hilft, als keine Chance.“ Normalerweise ist es jedoch vorzuziehen, einen neuen Wirkstoff zuerst mit Gesunden zu testen.

      Warum?
      Dafür gibt es viele Gründe. So ist es bei Tests mit Kranken schwerer auseinanderzuhalten, welche Beschwerden der Krankheit und welche dem neuen Wirkstoff geschuldet sind. Vor allem aber können wir nur mit gesunden Probanden die Normalsituation kennenlernen: Wie schnell kommt der Wirkstoff nach der Einnahme ins Blut? Wie hoch ist dann seine Konzentration dort? Wie schnell wird der Stoff wieder ausgeschieden – und geschieht das vorwiegend über die Nieren oder über den Darm?

      Tierversuche reichen also nicht aus, um das zu klären.
      Meistens verhält sich ein Stoff bei Mensch und Tier tatsächlich gleich, mitunter gibt es aber Abweichungen. Die spielen für die Verträglichkeit bei Gesunden nicht unbedingt eine Rolle, aber sie können bereits kranken Menschen Probleme bereiten. Beispielsweise haben viele Diabetiker geschädigte Nieren. Dann ist es wichtig, vorab zu wissen, dass ein Wirkstoff bei ihnen länger im Körper verweilt.

      Wie aussagekräftig sind Tierversuche dann überhaupt?
      Auswertungen über Jahrzehnte haben gezeigt, dass in Tierversuchen etwa 70 Prozent der Nebenwirkungen gefunden werden, die später auch beim Menschen auftreten würden. Also: Die Mehrzahl der Probleme kann man sehen und abfangen, nur nicht alle.

      Fast ein Drittel der Nebenwirkungen bleibt also unentdeckt, weil sie nicht bei den Tieren, sondern nur bei Menschen auftreten?
      Das ist richtig.

      Wie häufig treten denn solche unerwünschten Wirkungen in Phase-I-Studien auf, also wenn ein Wirkstoff erstmals an gesunden Menschen getestet wird?
      Dass man irgendeine Reaktion findet – also, dass der Blutdruck steigt oder sinkt, dass einem Probanden schwindelig wird oder er erbricht, das kommt immer mal wieder vor. Und das möchten Sie eher einem Gesunden zumuten als einem Kranken, der ohnehin durch seine Krankheit belastet ist. Auch darum sind gesunde Probandinnen und Probanden in dieser Phase wichtig. Todesfälle oder dramatische Nebenwirkungen wie in Rennes sind aber die absolute Ausnahme.

      Was bedeutet das konkret?
      Konkret heißt das: In Deutschland hat es so etwas noch nie gegeben. Und das, obwohl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in den letzten elf Jahren 10.000 klinische Prüfungen, darunter mehr als 2.700 mit mehr als 100.000 gesunden Freiwilligen, genehmigt hat. Europaweit gab es vor dem aktuellen Fall in Rennes allerdings noch einen Fall 2006 in Großbritannien, bei dem lebensbedrohliche Immunreaktionen aufgetreten sind.

      Im Anschluss daran wurden die Richtlinien für erste Tests als riskant eingeschätzter Wirkstoffe an Menschen verschärft. Trotzdem ist nun ein Mann gestorben.
      Da bereits Stoffe mit ähnlichem Wirkansatz getestet worden waren, ohne dass es zu Zwischenfällen kam, fiel der in Rennes eingesetzte Wirkstoff vermutlich nicht in diese erhöhte Sicherheitskategorie. Auch wurde der Wirkstoff von Teilnehmern, die in den Monaten zuvor geringere Dosierungen testeten, anscheinend gut vertragen.

      Was wird noch getan, um Risiken zu minimieren?
      Für die ersten Studien dürfen die Forscher lediglich Dosierungen verwenden, die viel niedriger sind als das, was später im Medikament enthalten sein soll. Man fängt um Zehnerpotenzen niedriger an. Nur wenn da keine problematischen Nebenwirkungen auftreten, würde man höhere Dosen verabreichen und sich so bis zur vorgesehenen Dosierung hocharbeiten.

      So war es auch in Frankreich, dort sind die Hirnblutungen ja auch nur bei Probanden aufgetreten, die mehrere Dosen des Wirkstoffs eingenommen haben. Das heißt aber, auch diese Strategie bietet keine vollständige Sicherheit.


      Nein. Vollständige Sicherheit gibt es nicht. Aber es wird viel getan, um das Risiko so niedrig wie möglich zu halten.

      Quelle: NetdDoktor
    • Nicht zugelassene Medikamente - Die Jagd nach dem Strohhalm ... Von Andrea Bannert




      Hannah muss sterben. Obwohl es ein Medikament gegen ihre Kinderdemenz gibt. Darf das Pharmaunternehmen in so einem Fall die Herausgabe der Arznei wirklich verweigern – nur weil sie noch nicht zugelassen ist?


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      © privat

      Hannah sitzt am Basteltisch und klebt einem Schmetterling Flügel an. Das neunjährige Mädchen mit den braunen, leicht gelockten Haaren bastelt gerne. Aber schon bald wird sie das nicht mehr können. Denn Hannah leidet an einer seltenen Erkrankung: an Neuronaler Ceroid-Lipofuszinose Typ 2, kurz NCL2. Die Schrift, die Hannah auf den Schmetterling krakelt, lässt sich kaum entziffern. Schon jetzt kann Hannah nicht mehr richtig lesen und schreiben – sie wird dement. Wenn die Krankheit weiter fortschreitet, wird sie auch verlernen zu laufen und zu sprechen – und sie wird erblinden. Die kleinen Patienten mit NCL2 haben oft auch Halluzinationen und epileptische Anfälle. Die meisten sterben bereits im Teenageralter.
      Für Hannas Eltern war die Diagnose im Februar ein großer Schock. „Ich musste erstmal vor die Tür gehen, um zu weinen“, erzählt Hannahs Mama Stefanie Vogel gegenüber NetDoktor. Doch dann erfuhr die Familie von einem Medikament, das Hannah möglicherweise helfen könnte. Der Haken: Es befindet sich noch in der klinischen Testphase und wird frühestens in zwei bis drei Jahren zugelassen. Für Hannah ist das zu spät. „Wir werden alles daran setzen, dass Hannah das Medikament so schnell wie möglich bekommt“, sagt die Mutter. Aber geht das überhaupt?

      Ausnahmen erlaubt
      Bevor ein neues Medikament auf den Markt kommt, muss in klinischen Studien ermittelt werden, ob es wirkt und verträglich ist. Es gibt aber in Deutschland die Möglichkeit eines sogenannten individuellen Heilversuchs. Ist jemand unheilbar krank wie Hannah, darf die Herstellerfirma die Arznei bereits vor der Zulassung für diesen Patienten herausgeben, schreibt der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Voraussetzung ist, dass alle anderen Therapiemöglichkeiten erschöpft sind und sich ein Arzt findet, der die Behandlung übernimmt.
      Bei der kleinen Hannah wären alle Kriterien für einen individuellen Heilversuch erfüllt. Kindern mit NCL2 fehlt ein bestimmtes Enzym, die Tripeptidylpeptidase 1 (TPP 1). Das ist sozusagen die zelleigene Müllabfuhr. Ohne diese sammeln sich wachsartige Stoffe in den Geweben an. Die empfindlichen Nervenzellen sterben dadurch nach und nach ab.

      Ersetzte Zell-Müllabfuhr
      „Da liegt es nahe das fehlende TPP 1 zu ersetzen“, so Professor Thorsten Marquardt von der Universität Münster. Der Stoffwechselexperte hat schon öfter Patienten mit noch nicht zugelassenen Medikamenten behandelt. Er würde auch die Therapie von Hannah betreuen.
      Cerliponase Alfa oder BMN 190 heißt das Medikament der US-amerikanischen Firma Biomarin, das Hannahs Nervenzellen vom Müll befreien könnte. Damit die künstlich hergestellten Enzyme direkt an Ort und Stelle ankommen, wird den Kindern ein kleiner Schlauch durch ein Miniloch in der Schädeldecke direkt ins Gehirn gelegt, der mit einem kleinen Vorratsspeicher verbunden ist. Dieser gibt das Ersatzenzym dann kontinuierlich an die Nervenzellen im Gehirn ab.

      Verwehrte Enzymersatztherapie
      Seit eineinhalb Jahren läuft ein internationaler klinischer Test mit 24 NCL2-Kindern. Bei keinem der kleinen Probanden hat sich laut Herstellerfirma der Zustand, seit dem sie das Medikament einnehmen, verschlechtert. Einige berichten sogar von einer Verbesserung.
      Aber Biomarin möchte das lebensrettende Medikament nicht für die Behandlung von Hannah herausgeben. Laut vfa liegt die Entscheidung dann tatsächlich beim forschenden Pharmaunternehmen. Es müsse abwägen, ob im konkreten Fall eher eine Chance oder ein Risiko für den Patienten bestehe.

      Kampf gegen einen Pharmariesen


      Tatsächlich schreibt Biomarin auf Nachfrage von NetDoktor, dass Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausreichend bewiesen seien. Doch das Argument hinkt: „Für Hannah gibt es keine Alternative. In ein bis zwei Jahren wird ihr Gehirn soweit zerstört sein, dass sie ein Pflegefall ist“, sagt Stefanie Vogel. Zudem verweist der Pharmakonzern auf die „ethische Verpflichtung“, die man gegenüber allen Patienten mit NCL2 habe, „die ebenfalls mit größter Dringlichkeit auf neue therapeutische Optionen warteten.
      Man fürchtet also, dass sich die Zulassung des Medikaments durch eine Herausgabe an Patienten außerhalb der Studie verzögern könnte. Das Risiko ist durchaus gegeben, nämlich wenn bei dem individuellen Heilversuch etwas schief läuft. Dann könnten beispielsweise Teilnehmer der Studie abspringen oder die Zulassungsbehörde könnte ein negatives Urteil fällen, erklärt Dr. Rolf Hömke von der vfa gegenüber NetDoktor das Problem. In dem Fall würden andere Patienten tatsächlich länger auf ein Medikament warten müssen. Vor allem aber würde Biomarin viel Geld verlieren.
      Hannah und ihre Familie wollen das nicht akzeptieren. Sie haben eine Petition bei change.org gestartet, die in kürzester Zeit mehr als 200.000 Menschen unterzeichneten. Ob sie damit den Pharmariesen umstimmen können, bleibt abzuwarten. Hannah hat sich außerdem für eine zweite klinische Studie beworben, die im Dezember startet. Wie weit die Krankheit zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschritten sein wird, weiß niemand.


      Quelle: NetDoktor