Lebensinhalt nach besiegter Esssucht?

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    • Lebensinhalt nach besiegter Esssucht?

      Hallo ihr Lieben,

      meine Frage geht gezielt an alle, die einmal bewusst esssüchtig waren und diese besiegt haben, egal ob durch eine OP oder nicht.

      Wie hat sich euer Lebensinhalt, eurer Alltag gestaltet, als sich nicht mehr alles um die Esssucht (Essen, Diäten, Abnehmen, Hungern, Lesen zum Thema, etc.) gedreht hat? Wie habt ihr euch einen anderen, neuen Lebensinhalt aufgebaut?

      Ich bin seit ca. 25 Jahren esssüchtig/essgestört. Ich hatte eine Sleeve-OP.
      Jahrelanges kämpfen um die Kilos und noch schlimmer, jahrelanges Kämpfen mit meinem Kopf. Schon morgens nach dem Aufstehen der Gedanke, was könntest du essen? Was kochst du heute mittag? Welche Diät könntest du noch probieren? Welches Buch zum Thema noch lesen? Was könnte ich jetzt noch essen? Welches Video auf YT zum Thema abnehmen habe ich noch nicht geguckt? Wieviel Kalorien habe ich heute gegessen? Wieviele Kalorien habe ich noch übrig? Und so weiter...

      Mein ganzer Tag drehte sich von früh bis spät ums Essen. In meinem Kopf ging es immer nur um Kalorien, essen, Fressen, Hungern, Abnehmen. Ich habe das ein viertel Jahrhundert so mitmachen müssen. Habe zeitlebens gekämpft, dass es anders wird und nun habe ich endlich den Durchbruch erreicht, dank zweiter Menschen, die mich in den letzten Jahren begleitet habe. Eine davon ist selbst essgestört und die andere ist meine Freundin und hat Psychologie studiert. Unendlich viele Gespräche und Tränen später habe ich vor einiger Zeit erkannt, wo mein Problem liegt. Warum ich esssüchtig wurde und dass ich heute keinen Grund mehr habe esssüchtig zu sein. Ich habe dann an diesen ganzen Gewohnheiten gearbeitet und sie anfangs umgeleitet, mich also abgelenkt und dann waren sie auf einmal weg. Erst nur einen Tag, dann ein paar Tage und immer so weiter.

      Und nun habe ich ein Problem.
      Ich habe keinen Lebensinhalt mehr.
      Ich bin ins Leere gefallen.
      Ich weiß nichts mehr mit mir anzufangen, jetzt, wo das Essen nicht mehr das Thema ist.
      Ich freue mich. Auf jeden Fall. Bin so glücklich und erleichtert, aber eben auch in ein Loch gefallen.
      25 Jahre Esssucht haben ihre Spuren hinterlassen und durch den Wegfall dieser habe ich nun Zeit übrig. Gedanken übrig. Alltag übrig.
      Aber was damit tun?

      Ich möchte mir gerne sinnvollen Ersatz suchen. Ich lese ja gerne und viel, aber ich kann nicht den ganzen Tag lesen. Ich bin ja seit 3 Jahren Frührentnerin und habe viel Zeit, die ich bisher mit Essen und Essthemen gefüllt habe. Doch nun? Ich habe einen tollen und lieben Mann, einen super tollen Hund. Und was noch?

      Ich bin gesundheitlich noch eingeschränkt, so dass kein Sportverein in Frage kommt und auch kein Fitnessstudio.
      Lesen ist schon ein Hobby von mir.

      Ich baue mir gerade einen neuen Freundeskreis auf, weil ich mir denke, dass ich einfach auch mehr Kontakte brauche, jetzt, wo ich wieder lebensfroh bin und meine Prioritäten nicht mehr beim Essen liegen.

      Wie habt ihr euch verändert?
      Was hat sich verändert?
      War es für euch auch so schwer, in den neuen, bei vielen ja auch "leichteren" Alltag zu starten?
      Habt ihr euch neue Hobbies gesucht?
      Oder hat sich bei euch gar nichts verändert?

      Lasst mal euren Gedanken freien lauf...
      Grüße von Tanni
      RNY-Magenbypass am 24.06.20
      Mein Bypass-Tagebuch
    • Hallo @Tanni1971 Ich weiß wie sich die Esssucht anfühlt, ich leb mit ihr. Was mir hilft, ist in erster Linie mein Garten. Wenn ich nach dem Unkraut ausreißen auf dem Liegestuhl entspanne, sind meine Gedanken frei von allem. Das einzige was an Gedanken den Weg zu mir findet, sind Sachen wie: "man bin ich fertig, ist der Wind herrlich, ich bin schon ganz schön weit gekommen im Beet, die Vögel zwitschern schön, draußen sein tut doch einfach gut."

      Ich kann dir also nur empfehlen, dir einen Garten anzuschaffen. Oder zumindest ein Gemüsebeet. Ernten finde ich toll. Das ist noch befriedigender als Essen :positiv: .

      Was jetzt den Lebensinhalt/ Sinn des Lebens angeht...

      da fällt mir, vom biologischen Sinn mal abgesehen, auch nur ein, das wir auf Erden sind um unsere Seele weiterzubilden (zumindest, wenn ich einen positiv gestimmten Tag habe :saint: )

      Tut mir Leid, wenn ich nicht helfen kann, ich arbeite da selbst noch dran :putzen: .
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      Maximalgewicht 2016: 145 kg bei 165 cm
      OP-Gewicht: 136,4 kg

      "Die einzige Konstante ist die Veränderung."
    • Mariselja schrieb:



      Ich kann dir also nur empfehlen, dir einen Garten anzuschaffen. Oder zumindest ein Gemüsebeet. Ernten finde ich toll. Das ist noch befriedigender als Essen :positiv: .
      Einen Garten haben wir nicht und können ihn auch beide körperlich nicht bewältigen.

      Momentan bin ich einfach in ein Loch gefallen, seit das Thema Essen vom Tisch ist, die Gedanken weg sind...
      Grüße von Tanni
      RNY-Magenbypass am 24.06.20
      Mein Bypass-Tagebuch
    • huhu :) wenn körperliche Aktivitäten nur eingeschränkt möglich sind, über geistigen Input Befriedigung holen? Spontan fällt mir ein.. MGM wenn ich schon in Rente wäre... VHS Kurse besuchen, von töpfern über malen (darf man auch ohne Talent, kann der Seele aber gut tun)...

      Eine neue Sprache lernen, die mich reizt und irgendwann ins entsprechende Land fahren

      Ehrenamtlich ein paar Stunden die Woche Kindern oder jugendlichen unterstützen(Hausaufgaben Betreuung, leihoma etc) oder ...

      Menschen mit Integrationswunsch (deutsch beibringen, Hilfe bei Behördengänge) arbeiten/Zeit verbringen...

      In einen Chor eintreten (geht auch ohne großes Talent, in der Gruppe ist das was anderes und kann ebenfalls seelisch befriedigend sein)

      Fachliteratur über Hunde Erziehung bzw Tricks beibringen holen und aktiv vielleicht mit mehreren anderen Hundebesitzern aktiv für Hund und Mensch spaßigem einüben von Tricks arbeiten

      Ins Tierheim 1x Woche als katzenstreichler oder oder

      Als "blauer Engel" im Krankenhaus oder Altenheim ehrenamtlich sein (mit Patienten/Bewohnern reden, ggf Kleinigkeiten besorgen, einfach da sein)

      Ich an deiner Stelle: ein (Selbsthilfe)Buch schreiben: (m)ein Weg aus der Esssucht
      Oder eine (online) shg zu genau dem Thema gründen

      So, das waren spontan meine Ideen, finde deine reflektierte Art richtig super und hoffe du findest bald aus dem Loch zu einem weiterhin essucht befreiten, aber lebhaften unlochigen leben :) LG Sumsi
    • HalloTanni,

      dein Bericht bezüglich nicht vorhandenem Lebensinhalt ist schon außergewöhnlich,weil es nicht so furchtbar viele Menschen gibt, die ihre Adipositas mit psychischen Gründen verbinden. (Ich hoffe, dich richtig interpretiert zu haben)

      Du schriebst:
      Nun habe ich endlich den Durchbruch erreicht, dank zweiter Menschen, die mich in den letzten Jahren begleitet habe. Eine davon ist selbst essgestört und die andere ist meine Freundin und hat Psychologie studiert. Unendlich viele Gespräche und Tränen später habe ich vor einiger Zeit erkannt, wo mein Problemliegt. Warum ich esssüchtig wurde und dass ich heute keinen Grund mehr habe esssüchtig zu sein. Ich habe dann an diesen ganzen Gewohnheiten gearbeitet und sie anfangs umgeleitet, mich also abgelenkt und dann waren sie auf einmal weg. Erst nur einen Tag, dann ein paar Tage und immer so weiter.


      Für mich z.B. – und ich bin überzeugt, ich bin nicht allein - ist dein Bericht irgendwie noch nicht fertig. So wäre vielleicht vielen anderen User/innenwirklich geholfen, wenn man etwas mehr über dein Erkennen lesen könnte. Schließlich dürften im weiten Rund der Adipositasgemeinde gar manche/r Leidensgenosse/in von deinen Erfahrungen profitieren. Nicht zuletzt könnte es auch Ansatzpunkte geben bei der Frage: Wie werde ich mein Leben weiterhin gestalten!

      Wenn man deinen Diät-Ticker ansieht, erkennt man, dass du schon etliches erreicht hast. Die Frage ist nun: Ist dieser Erfolg deinen neueren Erkenntnissen geschuldet oder war der Magenschlauch die dominierende Ursache?

      Vielleicht habe ich Glück und kann noch einiges von dir lernen.
      Gruß Woschu
    • Dieses Loch kenne ich auch, etwas anders als bei Dir, aber mit dem Loch musste ich auch lernen umzugehen. Ich hatte auch eine Ess-Störung, hab sehr viel übers Essen kompensiert. Die Aufarbeitung meines Traumas in Kombination mit der Behandlung von Hashimoto hat vor einigen Jahren dazu geführt, dass ich endlich nicht mehr zugenommen habe. Ich brauchte das Essen nicht mehr als Ersatzbefriedigung. In den letzten Jahren habe ich dann meine Ernährung sukzessive veränderte, sodass ich sagen kann, ich ernähre mich gesund.

      Mir der Aufarbeitung der Ursache bin ich dann aber auch in ein Loch gefallen. Ich hatte viele Jahre damit zu tun, es hatte mich in den freien Stunden – ob bewusst oder im Unterbewusstsein – immer beschäftigt. Dann war das Problem erst mal bearbeitet und ich wusste nichts mehr mit meiner Zeit anzufangen. Das hat ziemlich lang gedauert, ich hab viel ausprobiert, bis ich wieder etwas gefunden habe, dass mich ausfüllte. Bei mir war es dann das Bücher schreiben und auch veröffentlichen – alles rund ums Kulinarische ;-). Mir ging es damit lange Zeit gut, es gab jedoch eine Einschränkung:

      Ich hatte immer noch mein hohes Gewicht. Ich habe mein Gewicht über 15 Jahre gehalten, wenn auch auf sehr hohem Niveau. 2014 wollte ich aber nicht mehr, ich befand mich wieder in einem Loch. Ich bin zu meiner ehemaligen Therapeutin, mit der ich meine Ess-Störung aufgearbeitet hatte, wir sind das Thema erneut angegangen und vor gut einem Jahr konnte ich dann endgültig mein Trauma hinter mir lassen, waren noch mal einige sehr schwere Monate, aber dann konnte ich endlich – „einfach so“ 20 kg hinter mir lassen, hab wieder gehalten, jetzt sind die nächsten 20 kg dran.

      Aber ich hatte schon wieder nichts, was dann meine Zeit ausfüllte. Und ich hab wieder einfach querbeet getestet, was mir gefallen könnte. Einiges hat funktioniert, anderes überhaupt nicht – es war einfach eine Phase von Versuch und Irrtum, bis ich herausgefunden habe, was für mich passt. Als Hilfemaßnahme hatte ich mir dieses Mal eine Bucket-Liste gemacht, also 100 Dinge aufgeschrieben, die ich in diesem Leben auf jeden Fall noch erleben möchte. Da sind so Dinge wie von einmal ohne Pause und Atemnot wieder in den 4. Stock meiner Wohnung hochzulaufen über französisch endlich fließend sprechen zu können bis hin zu einem Zeppelinflug mit dabei ;-). Da war ich erst mal gut beschäftigt. Manches war zügig umzusetzen, anderes steht noch aus und es sind aktuell auch ein paar noch utopische Punkte drauf, aber wer weiß, was sich in diesem Leben noch alles tut.

      Ich orientier mich jetzt inzwischen beruflich noch mal neu, wobei ich alles was ich vorher gemacht habe, dafür gut nutzen kann. Der ganze Prozess hat aber um die 1 ½ Jahre gedauert. Ich für mich bin mir sicher, dass man dieses Loch, dass da ist, nur allmählich hinter sich lassen kann, nur Schritt für Schritt rauskrabbeln kann. So eine Entwicklung kann man nicht erzwingen – ich jedenfalls nicht. Das braucht Geduld mit sich selbst und Experimentierfreude.
    • Guten Morgen, ihr Lieben.

      Vielen Dank für eure zahlreichen Antworten und eure Offenheit!

      Sumsi schrieb:

      Eine neue Sprache lernen, die mich reizt und irgendwann ins entsprechende Land fahren
      Ich will schon seit Jahren mein Schulenglisch aufbessern um irgendwann mal in der Lage zu sein, ein Buch in englisch zu lesen und nach London zu fliegen...warum komme ich auf so einfache Dinge nicht selbst?

      Sumsi schrieb:

      Ich an deiner Stelle: ein (Selbsthilfe)Buch schreiben: (m)ein Weg aus der Esssucht
      Und wieder ein Punkt, auf den ich hätte selbst kommen können. Ich habe vor einiger Zeit genau so ein Buch angefangen zu schreiben, es ab brach liegen lassen, weil ich wusste, ich bin noch in der Esssucht drin und könnte es nicht erfolgreich zu Ende schreiben. Doch jetzt könnte ich genau da weiter machen!

      Sumsi schrieb:

      Oder eine (online) shg zu genau dem Thema gründen
      Das würde mir sehr gefallen. Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch. Da werde ich mal schauen, wie man sowas am besten angeht. Das will ich gern in die Tat umsetzen!

      Woschu schrieb:

      Wenn man deinen Diät-Ticker ansieht, erkennt man, dass du schon etliches erreicht hast. Die Frage ist nun: Ist dieser Erfolg deinen neueren Erkenntnissen geschuldet oder war der Magenschlauch die dominierende Ursache?
      Also. Nach der OP 2011 habe ich 90 kg abgenommen und leider von 2012 bis 2013 auch alles wieder zugenommen. War also 2014 wieder bei 195 kg angelangt und habe es dann mit viel Disziplin im Laufe der Jahre immer weiter runter geschafft und stehe seit einiger Zeit beim aktuellen Gewicht. Die neuerliche Abnahme kam also ohne Zutun der OP, denn der OP-Effekt war bei mir schon 6 Monate nach der OP wieder weg. Jetzt allerdings geht es mit dem Gewicht seit ein paar Tagen wieder runter...

      Woschu schrieb:

      Für mich z.B. – und ich bin überzeugt, ich bin nicht allein - ist dein Bericht irgendwie noch nicht fertig. So wäre vielleicht vielen anderen User/innenwirklich geholfen, wenn man etwas mehr über dein Erkennen lesen könnte.
      Die Erkenntnis beruht auf sehr persönlichen, weit zurückliegenden Erfahrungen, die euch gar nicht helfen können, weil es ja meine Erfahrungen waren. Und sie sind mir auch zu intim und privat. Das tut mir leid.

      Sugargypsy schrieb:

      Als Hilfemaßnahme hatte ich mir dieses Mal eine Bucket-Liste gemacht, also 100 Dinge aufgeschrieben, die ich in diesem Leben auf jeden Fall noch erleben möchte. Da sind so Dinge wie von einmal ohne Pause und Atemnot wieder in den 4. Stock meiner Wohnung hochzulaufen über französisch endlich fließend sprechen zu können bis hin zu einem Zeppelinflug mit dabei ;-). Da war ich erst mal gut beschäftigt. Manches war zügig umzusetzen, anderes steht noch aus und es sind aktuell auch ein paar noch utopische Punkte drauf, aber wer weiß, was sich in diesem Leben noch alles tut.
      Ui, das ist auch eine sehr tolle Idee. 100 Punkte wären jetzt zuviel für mich, aber ich werde mir heute so eine Liste machen und so viele Punkte draufschreiben, wie mir einfallen.

      Sugargypsy schrieb:

      Ich orientier mich jetzt inzwischen beruflich noch mal neu, wobei ich alles was ich vorher gemacht habe, dafür gut nutzen kann. Der ganze Prozess hat aber um die 1 ½ Jahre gedauert. Ich für mich bin mir sicher, dass man dieses Loch, dass da ist, nur allmählich hinter sich lassen kann, nur Schritt für Schritt rauskrabbeln kann. So eine Entwicklung kann man nicht erzwingen – ich jedenfalls nicht. Das braucht Geduld mit sich selbst und Experimentierfreude.
      Das möchte ich auch machen, schon seit gut 2 Jahren denke ich darüber nach, mich noch einmal selbständig zu machen. Ich habe in meinem Leben immer meine Traumberufe erlernt (Pferdewirtin, Büroassistentin, Hundeverhaltenstherapeutin, Call Center Agentin) Aber ich würde sehr gern Ernährungsberaterin werden. Diesen Traum habe ich schon ewig...
      Grüße von Tanni
      RNY-Magenbypass am 24.06.20
      Mein Bypass-Tagebuch
    • Hallo Tanni,

      danke für deine Antwort.
      Natürlich möchte ich in deine Interna nicht eindringen. Ich dachte eher daran. dass du deine helfende Erkenntnis in allgemein verbindlicher Darstellung schildern könntest und dies zumal aus deinen bisherigen Beiträgen eine gepflegte Darstellung ersichtlich ist. Mit anderen Worten, du bist sehr begabt Sachverhalte zu kommunizieren.

      Ansonsten freue ich mich, dass dir bereits einige erfreuliche Hinweise empfohlen wurden. Das angefangene Buch zu schreiben wäre in deinem Fall bestimmt eine gute Idee. Spätestens dann werden wir wissen, welche guten Erkenntnisse dir verholfen haben, die Esssucht lahmzulegen.

      Beste Grüße
      Woschu
    • Woschu schrieb:



      Natürlich möchte ich in deine Interna nicht eindringen. Ich dachte eher daran. dass du deine helfende Erkenntnis in allgemein verbindlicher Darstellung schildern könntest und dies zumal aus deinen bisherigen Beiträgen eine gepflegte Darstellung ersichtlich ist. Mit anderen Worten, du bist sehr begabt Sachverhalte zu kommunizieren.
      Das hast du sehr nett und lieb geschrieben, dankeschön, das freut mich.

      Ich werde mal versuchen, das allgemein für euch zu erklären, ohne dabei zu tief in meine Privatsphäre einzudringen, oder zumindest nur so weit, wie ich das möchte.

      Es ist so, dass ich schon zur Einschulung ein etwas kräftigeres Kind war. Ich hatte meine allerliebste Oma Zuhause bei uns und wir waren eine Großfamilie, in der regelmäßige, einfache Mahlzeiten gekocht wurden. 3 Mal am Tag gab es gut bürgerliche Küche. Ich aß gern und wurde auch mit Essen getröstet oder beschenkt. Und so wurde ich zur Jugendlichen.
      Ich war mit 17 Jahren aktive Turnierreiterin und ritt neben meinem eigenen Pferd noch 4 weitere Pferde tagtäglich. Ich ging vor der Schule in den Reitverein, kümmerte mich und mistete aus, ging dann in die Schule, machte nach der Schule Hausaufgaben und ging wieder zum Reiten und kam erst am Abend zurück, ABER, ich musste immer zwischendurch zum Essen nach Hause kommen, obwohl ich keinen Hunger hatte. Ich betrieb Leistungssport und es ist noch heute so, dass ich nach dem Sport stundenlang keinen Hunger habe. Aber ich musste immer zum Essen nach Hause kommen.
      So blieb es, bis ich erwachsen war und auszog. Doch da war das Verhaltensmuster schon eingeprägt, die Gewohnheit präsent. Dann kam eine sehr unglückliche erste Ehe und massive Depressionen hinzu. Ich war in der Esssucht gefangen, ungefähr vom 21 Lebensjahr an. Ich aß eigentlich immer. Aus Traurigkeit, aus Hunger, aus Appetit, aus Angst, aus Gewohnheit und irgendwann aus Esssucht!
      Ich lernte 2000 meinen 2. Mann kennen und er war das Beste, was mir passieren konnte. Ich gewann an Selbstbewusstsein, besiegte meine Depressionen, hatte keine Suizidversuche mehr, wurde stabil.

      Und jetzt kommt das Allesentscheidende, bezüglich der Erkenntnis.
      Meine beiden Gesprächspartner haben mir gesagt, dass ich doch gar nicht mehr esssüchtig bin. Ich habe doch gar keinen Grund mehr aus all diesen früheren Gründen zum Essen zu greifen, denn ich sei doch schon so lange glücklich.
      Das traf mich wie ein Hammer. Denn sie hatten Recht. Warum um Himmels Willen aß ich immer bis ich Schmerzen hatte und betäubte uralte Gedanken, die ich so gar nicht mehr hatte? Warum aß ich ständig weiter aus Gewohnheit? Die Gründe für die Esssucht gab es doch gar nicht mehr, warum also weiter an ihr festhalten?
      Meine Gedanken rotierten. Die Esssucht gab mir 25 Jahre etwas. Sie gehörte zu mir. Sie wurde ein Teil meines Alltags. Nein, sie war mein Alltag, mein Lebensinhalt. Ich lief aber nicht rund, trotz des anhaltenden Glücks mit meinem tollen Mann, unserem tollen Hund, etc. Ich wurde nicht glücklich, weil ich mich selbst blockierte mit diesen inzwischen völlig unnützen Verhaltensweisen.

      Und da begriff ich, dass ich nicht mehr esssüchtig bin, nur eben noch diese Gewohnheiten beibehalten habe. Und von einem Moment auf den anderen befreite ich mich davon. Ich habe geweint, bitterlich vor Erkenntnis geweint. Ich war frei. Endlich frei. Und das hat mich umgehauen.

      Seit diesem Tag habe ich keinen Essdrang mehr, keine Gelüste, keine Heißhungerattacken mehr, keine Fressorgien mehr. Es ist so, als wäre ich ein schlanker Mensch. So esse ich. Einfach so. Ich weiß nicht, wie man das so schnell umschalten konnte, keine Ahnung. Aber ich will es nicht weiter hinterfragen, ich nehme die Veränderung von Herzen gern an. Ich bin befreit. Das Thema Essen existiert nicht mehr für mich und das ist unglaublich befreiend und erleichternd für mich und meinen Alltag.

      Ich hoffe, ich konnte dir/euch das etwas verständlicher machen.
      Grüße von Tanni
      RNY-Magenbypass am 24.06.20
      Mein Bypass-Tagebuch
    • @Tanni1971, ich möchte dich einfach nur so einmal ganz ganz fest und lieb drücken :knuddel: :knuddel: :knuddel:
      Beginn 6-monatiges MMK: 11.08.2016, 132,4 kg
      Beginn 3-monatiges MMK: 13.02.2017, 133,0 kg
      Beginn der Eiweißphase: 04.05.2017, 123,3 kg
      Gewicht am OP-Vor-Tag: 17.05.2017, 119,5 kg
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      Wer mich dick nicht will, hat mich schlank nicht verdient!
      Dort, wo man nicht segeln kann, muss man wohl oder übel rudern...
    • Hallo Tanni,

      deine Texte bewegen mich sehr.

      Ich erkenne mich in Ihnen wieder. Auch ich habe sehr sehr oft den Gedanken ans essen, benötige essen um meine Gefühle zu verstehen, zu erleben und zu bearbeiten.
      Dadurch, das der Schlauchmagen die Nahrungsaufnahme ja einengt, knabbere ich auch teilweise sehr an mir.

      Ich umarme dich und freue mich für dich, das du diesen Tiger (diesen Begriff habe ich aus einem Buch für Essstörungen) besiegt hast!
    • Liebe Tanni,

      erst einmal freut es mich zu lesen, dass es dir so gut geht. Das ist schön!

      Kannst du dir denn vorstellen, ehrenamtlich tätig zu werden? Man schenkt Zeit. Das tut einem gut, es füllt den Tag/das Leben und man hat anderen eine Freude gemacht.

      Ich habe ja selbst in meinem Haus (meiner Arbeit) viele Ehrenamtliche und bewundere diese für ihre Tätigkeit. Einfach tolle Menschen!

      Liebe Grüße
      Nicki
    • nicki32 schrieb:

      Kannst du dir denn vorstellen, ehrenamtlich tätig zu werden?
      Ich könnte mir vorstellen im Kinderhospiz tätig zu werden.
      Ich habe letztes Jahr auf Facebook ein kleines Mädchen bis zu ihrem Tod begleitet und das war trotz aller Traurigkeit so erfüllend.
      Ich werde jetzt mal schauen, was für Möglichkeiten ich so habe, die sich wirklich realisieren lassen.
      Heute gehe ich in meinen alten Reitverein und freue mich tierisch darauf. Bin schon ganz aus dem Häuschen und aufgeregt. Habe letztens meinen alten Reitlehrer wieder getroffen und er freut sich jedesmal, wenn wir uns begegnen. Er ist schon über 80 und gibt immer noch jeden Freitag eine Reitstunde und hat mich gebeten, doch mal vorbeizukommen. Nichts lieber als das.

      :blumen: :blumen: :blumen:
      Grüße von Tanni
      RNY-Magenbypass am 24.06.20
      Mein Bypass-Tagebuch
    • Huhu Tanni,

      ich arbeite ja in dem Bereich und kann dir gern auch Einrichtungen in deiner Wohnortnähe nennen, wenn du magst.

      Hospiz oder Kurzzeitpflege, das sind beides schöne Möglichkeiten. Ich leite eine Kurzzeitpflege für Kinder mit Behinderungen. Viele Menschen wissen gar nicht, dass es genau die gleiche Betreuung/Pflege wie im Hospiz ist. Nur das die Kinder nicht gezielt zum Sterben kommen. Das passiert bei uns auch, sogar in 2016 öfter als im Hospiz in Wilhelmshaven. Aber alle diese unglaublich tollen Kinder freuen sich über Ehrenamtliche, die ihnen Zeit schenken.

      Wir haben um die 30 Ehrenamtlichen bei uns im Haus und die sind einfach nur toll und sehr sehr viel Wert.

      Liebe Grüße
      Nicki
    • Finde ich ganz toll, dass Du das machen möchtest Tanni - ich möchte nur zu bedenken geben, dass das etwas ist, was einen sehr fordert - und auch seelisch sehr mitnehmen kann. Vielleicht solltest Du da nochmal genau in Dich reinhören, ob das (schon) das richtige für Dich ist - immerhin hast Du ja gerade erst aus Deiner bisherigen problematischen Situation herausgefunden. Egal wie - ich wünsche Dir das allerbeste !
      Liebe Grüße von Gaugele


      Erstgespräch 19.07.2012 mit 186 kg >>> Schlauchi-OP 20.02.2013 mit 169,5 kg >>> BDS 23.01.2015 mit 90 kg
      Mein OP-Bericht Mein OP Bericht Schlauchi am 20.02.2013
    • Ich finde es unglaublich toll, dass hier ein paar Menschen sind, die so etwas machen bzw. machen wollen.
      Dafür habt ihr alle meinen uneingeschränkten Respekt!!
      Die sterbenden Menschen brauchen so dringend Leute wie euch an ihrer Seite. Und ich bewundere euch zutiefst. Ich selbst könnte das nicht machen, weil ich leider nicht mehr abschalten und den Abstand halten könnte. Heisst, ich würde irgendwann psychisch so down sein, dass ich selbst professionelle Hilfe bräuchte. Und gerade deshalb, bin ich froh, dass es eben Menschen gibt, die diesen dringend notwendigen Abstand wahren können. Das gilt generell für Pflegeberufe, egal, ob Hospiz, Kranke oder alte Menschen.
      Tanni, ich fände es richtig toll, wenn du in so ein Kinderhospiz kommen könntest und wünsche dir und natürlich auch Nicki ganz ganz viel Kraft, das in Zukunft zu meistern und dass ihr ganz vielen Kindern helfen und sie begleiten könnt.
      Beginn 6-monatiges MMK: 11.08.2016, 132,4 kg
      Beginn 3-monatiges MMK: 13.02.2017, 133,0 kg
      Beginn der Eiweißphase: 04.05.2017, 123,3 kg
      Gewicht am OP-Vor-Tag: 17.05.2017, 119,5 kg
      [Blockierte Grafik: http://swlf.lilyslim.com/9Hmgp1.png]

      Wer mich dick nicht will, hat mich schlank nicht verdient!
      Dort, wo man nicht segeln kann, muss man wohl oder übel rudern...
    • Huhu Tanni,

      es gibt auch ambulante Kinderhospizdienste. Da fährt man zu den Familien nach Hause.

      deutscher-kinderhospizverein.d…ln/akhd-koeln/startseite/


      So eine Ausbildung wird natürlich auch begleitet, mit Austauschrunden, Supervisionen etc.

      Alles Liebe
      Nicki