Psychologische Ursachen und Strategien dafür

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    • Psychologische Ursachen und Strategien dafür

      Hallo!

      ich habe bisher keine organisierten Abnehmversuche gemacht (so richtig mit Plan und Strategie), und eigentlich halte ich es auch nicht für erfolgversprechend, nur mit Plänen und "Disziplin" irgendwas erreichen zu wollen. Tausende Leute, die das versuchen, scheitern ja bereits damit. Aber weil ich bisher keine Abnehmversuche gemacht habe, möchte ich auch nicht gleich eine OP in Betracht ziehen, sondern erst mal ganz intensiv an den psychologischen Ursachen arbeiten.

      Ich sehe da 3 Stellschrauben, an denen man drehen kann.

      Vorab der Versuch einer Problembeschreibung:
      Ich habe Phasen in meinem Leben gehabt, wo mein Gewicht plötzlich gestiegen ist, und dazwischen waren Phasen, wo es gleich geblieben ist. Abgenommen habe ich nie willentlich. Meine Gewichtskurve verläuft also treppenförmig nach oben.
      Wenn ich mir anschaue, was in den Phasen mit den Gewichtszunahmen war, dann waren das meistens Zeiten mit viel Stress. Neuer Job, Umzug, berufliche Unsicherheit, Sorgen. In solchen Zeiten und noch mehr danach in der Erholungsphase esse ich mehr, weil ich die Gefühle von Stress und Anstrengung mit Essen ausgleiche. Essen beruhigt extrem, es ist Trost und Belohnung für Anstrengungen. Es ist etwas Schönes, wenn der restliche Alltag trist ist.

      Die 1. Stellschraube wäre ja dann, etwas an den äußeren Umständen zu ändern, also dafür zu sorgen, dass man weniger Stress und mehr schönere Erlebnisse hat. Manchen Stress kann man allerdings nicht vermeiden, weil Dinge eben passieren und man nicht immer Einfluss darauf hat.

      Eine weitere Stellschraube wäre, seinen eigenen Umgang mit Stress zu ändern, also zu schauen, welche Gedanken man bei welchen Ereignissen hat, wie man reagiert, und ob man daran etwas ändern kann. Auch hier wäre das Ziel, weniger Stress zu haben, aber nicht dadurch, dass sich das Leben ändert, sondern nur die Gedanken und Gefühle, die man dabei hat. Das Leben wäre also gleich, aber man würde keinen oder weniger Stress empfinden, weil man besser damit umgeht.

      Bei 1 und 2 würde man dafür sorgen, dass gar nicht so viel Essdrang entsteht.

      Die dritte Stellschraube wäre, dann, wenn man weder den Stress noch seine Gefühle dabei ändern kann, andere Strategien zu finden, damit umzugehen, anstatt zu essen. Hier ist der Essdrang schon da, und es ginge darum, Alternativen zum Essen zu finden.
      Allerdings finde ich das auch schwierig, weil Essen bei der Effektivität ziemlich unschlagbar zu sein scheint. Weder ein Wannenbad noch Musik hören oder sonst etwas entspannt mich so effektiv wie essen. Außerdem habe ich öfters auch nach dem Wannenbad und dem Musik hören immer noch das Bedürfnis, zu essen.

      Mich würde interessieren, was ihr so für Erfahrungen gemacht hat mit den drei Möglichkeiten, gute und schlechte Erfahrungen. Was funktioniert bei euch und was nicht?

      Ich glaube, dass, selbst wenn man gute Strategien hat, dann noch ein Problem entstehen kann, dass man alte Gewohnheiten ändern muss. Das fällt mir sehr schwer, weil auch das Ändern von Gewohnheiten schon Stress und Anstrengung verursacht.
      Deshalb habe ich ein bisschen schon die Befürchtung, dass das viel Theoretisiererei ist, und am Ende in der Praxis doch nichts davon funktioniert. Aber vielleicht gibt es ja doch irgendwo einen Faden, den man aufgreifen kann, man muss ja nicht gleich radikal alles ändern...

      Viele Grüße
      tamiko


      PS: Nachtrag zum Thema "Disziplin": ich glaube, nicht können ist nicht nicht wollen, sondern nicht wollen ist nicht können. Das heißt, wenn man es nicht schafft, etwas durchzuhalten, dann sollte man das nicht als Zeichen von Willensschwäche ansehen, sondern als Zeichen dafür, dass man noch nicht die passenden Umstände geschaffen hat, die das Durchhalten möglich machen.
      Deshalb mag ich das Wort "Disziplin" nicht, weil es suggeriert, dass das etwas wäre, was jeder haben kann, und wer es nicht hat, ist selbst schuld und schwach im Gegensatz zu den Leuten, die "mit viel Disziplin" etwas schaffen. Aber so ist es eben nicht, sondern wer es nicht hat, hat schlichtweg andere Lebensumstände. Vielleicht auch in der Vergangenheit gehabt. Aber nur an den Jetzt-Umständen kann man arbeiten.
    • Hallo Tamiko,

      was Du schreibst finde ich sehr klug und reflektiert.

      Ich habe einmal folgende Notizen gemacht:

      Was ich aber auch in langer Zeit nicht wirklich verändern konnte: Den Kopfhunger!!!!!!
      Der kommt fast jeden Abend. Manchmal kann ich ihn im Zaume halten, manchmal nicht.
      Der Kopfhunger hat auch eigentlich nichts mit dem Essen zu tun, wird aber durch Essen gestillt.
      Kopfhunger kann für jegliche Art von Gefühlen und Bedürfnissen stehen, denen man sich meistens nicht wirklich bewußt ist und die man schon sein Leben lang mit Essen verdrängt oder ersatzbefriedigt hat.
      Kopfhunger hebelt letztendlich auch die Disziplin aus! Da unser Unterbewusstsein eben oft mächtiger ist als das Bewusstsein.

      Menschen die schlank bleiben, mussten ihre Gefühle und Bedürfnisse nicht mit Essen befriedigen und kennen daher diesen Kopfhunger kaum. Wenn diese Menschen satt sind, dann haben sie überhaupt kein Bedürfnis weiter zu essen oder können sich ganz leicht stoppen, da eben der Kopfhunger sie nicht in die Knie zwingt. Daher denken sie, dass es eben nur ein wenig Disziplin braucht, was bei ihnen ja auch stimmt.

      Aus ihrer Sicht eine logische Schlussfolgerung. Aus Sicht eines Adipösen, eine Herkulesaufgabe und oft ein Ding der Unmöglichkeit.
    • Hallo Tamiko,
      auch ich finde es ganz klasse, dass du hier so offen und reflektiert deine Gedanken niederschreibst.
      Ich persönlich bin Binge Eater (ein extremer Volumenesser) und auch ich habe mir eine Art psychischen Schutz und eine Komfortzone über meine Fressattacken geschaffen.
      Auch bei mir diente die hemmungslose Nahrungsaufnahme als Kompensationsmechanismus sämtlicher äußerer Lebensumstände und den damit verbundenen Herausforderungen, Erlebnissen und Eindrücken.
      Da bei mir leider auch sämtliche Ablenkungsversuche davon gescheitert sind, kann ich dir leider keine Antworten auf deine Fragen geben.
      Bei mir war es bisher immer so, dass bei sämtlichen Versuchen, mein desolates Essverhalten in den Griff zu bekommen, eine Suchtverlagerung auftrat.
      Ich bin mir der Problematik bewusst und arbeite daran.
      Wenn ich weitergekommen sein sollte, sage ich gern Bescheid.
    • daaja1 schrieb:

      Ich habe einmal folgende Notizen gemacht:
      Deinen Text finde ich sehr treffend, genau so ist es.
      Ich denke vor allem abends sehr oft ans Essen. Da komme ich zur Ruhe und dann versuche ich, mit dem Essen etwas Schönes zu haben. Ich bekomme die Gedanken ans Essen dann einfach nicht aus dem Kopf und alle Vernunft zählt nichts mehr, wird einfach beiseite gefegt. Jeder Versuch, mich einzuschränken, geht meist noch am gleichen Abend schief, und wenn es blöd läuft, esse ich dann noch mehr, als wenn ich es mir gleich erlaubt hätte.

      TT887 schrieb:

      Ich persönlich bin Binge Eater (ein extremer Volumenesser) und auch ich habe mir eine Art psychischen Schutz und eine Komfortzone über meine Fressattacken geschaffen.
      Ich habe wahrscheinlich nur Ansätze von Binge Eating, weil ich nicht unbedingt große Mengen in kurzer Zeit esse, aber ich esse manchmal abends über mehrere Stunden ständig vor mich hin. Ich muss das eine haben, dann das andere, dann nochmal was anderes und dann wieder was von dem ersten. Dazwischen sind auch mal Pausen, aber die dauern meist nicht lange. Morgens und Mittags habe ich das Problem dagegen überhaupt nicht. Ich esse ein normales Frühstück, und wenn ich frei habe, dann habe ich oft bis nachmittags gar keinen Hunger oder Appetit. Aber Abends geht es los, auch egal wieviel ich an dem Tag vorher schon gegessen habe. Also auch, wenn ich normale Mahlzeiten vorher hatte. An Arbeitstagen esse ich z.B. immer ein Frühstück und um 12 Uhr ein Mittagessen. Abends nach dem Heimkommen geht es dann los bis zum Schlafengehen.

      Volumenesser bin ich manchmal, wenn ich mir selber was koche. Die Mengen sind meistens zu groß, es ist so lecker, und ich kann nichts übrig lassen. Als Single kleine Mengen zu kochen, ist gar nicht so einfach. Wenn ich mir extra eine kleine Portion mache, bekomme ich oft das Gefühl, ich müsste mich zu sehr einschränken, würde zu kurz kommen, es wäre ungerecht, dass ich nur so wenig bekomme oder ähnliches. Da stimmt auch das Maß nicht so ganz.

      Wie ist das dann bei dir: hast du dich operieren lassen und damit abgenommen, oder hast du ohne OP abgenommen, aber jetzt das Problem mit der Suchtverlagerung?
    • Ich finde es gerade sehr interessant, dass auch dein kompensatorisches Essverhalten abends auftritt.
      Das ist bei mir auch so.
      Bei mir geht das so weit, dass die Nahrungsaufnahme und Essen generell am Tage gar keine Rolle für mich spielt.
      Doch dann kommt der Abend.
      Bei mir vermute ich, dass ich abends zur Ruhe komme, für mich bin, alles erledigt habe und dann diese Verhaltensweise auftritt.
      Dann kreisen alle Gedanken auch nur noch um die Nahrungsaufnahme und die Essensmenge.
      Da ich mir den Magen im Laufe der Jahre stark gedehnt habe, artet die Nahrungsaufnahme dann in regelrechte Fressorgien aus.
      Gebe ich einer Fressattacke komplett nach, esse ich zwanghaft bis zum Anschlag, also bis der Magen richtig abartig schmerzt.
      So ging das ca. 23 Jahre.
      Dann habe ich auf konventionelle Art und Weise abgenommen und kam durch die Suchtverlagerung über die Sportsucht zur Anorexie.
      Da hänge ich aktuell fest.
      Ich glaube, die Wurzel all diesen Übels liegt tief in der Psyche vergraben und deine Denkansätze finde ich absolut zutreffend, egal in welcher Form sich das kompensatorische Verhalten über eine Essstörung äußert.
      Es ist einfach teilweise sehr schwer, daran zu arbeiten und langfristig etwas zu ändern.
    • Ich schliesse mich hier mal an. Ich brauche auch den ganzen Tag nichts, auch dann nicht, wenn ich wirklich Hunger habe und esse tagsüber nur, weil es die Vernunft mir sagt. Abends aber, wenn Ruhe einkehrt und der Tag wirklich zu Ende ist, dann könnte ich dies essen und das und jenes, am besten wirklich hochkalorisch und süss und fettig. So richtig in Ruhe und ganz gemütlich und schnuckelig. Das hat etwas ritualartiges an sich, und auch wenn ich weiss, dass es mir schadet, fühlt es sich wie Wellness an. Oder besser: fühlte. Ich habe seit drei Monaten einen Schlauchmagen und esse nur sehr wenig und passe auch auf, dass ich abends nicht wieder alte Muster auf den Esstisch bringe.

      Aber, kurz gesagt, ich kenne das auch. Und dieses Wellnessfressen hat mich auch so dick werden lassen.

      P.S. Ich habe vor zwei Jahren das Rauchen aufgegeben und das war sehr hart und ich habe das jahrelang vergeblich versucht. Aber es ging. Irgendwie. Was nie ging, war das Wellnessessen am Abend abzulegen. Und daher denke ich auch, dass das aus der Psyche kommt und man da tief graben muss um die Ursachen aufzudecken und abzuklären.
      Liebe Grüsse

      Elelen :hallo:


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      28.09.2017, OP-Gewicht: 131,7 BMI 46,6 Körpergrösse: 1,68 m
      31.12.2017 111,5
      18.01.2018 108,7
      31.01.2018 104,6
      08.10.2018 88,0
      20.01.2019 82,0 BMI 29,0
      01.04.2019 79,0
      01.05.2019 77,8
      01.07.2019 76,2
      01.08.2019 74,0 BMI 26,2
      01.09.2019 72,0
    • Elelen schrieb:

      Das hat etwas ritualartiges an sich, und auch wenn ich weiss, dass es mir schadet, fühlt es sich wie Wellness an.
      Bei mir scheint es sogar noch etwas mehr als Wellness zu sein. Ich empfinde es so, als ob ich darauf angewiesen wäre. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was dieses Ritual ersetzen könnte.

      Ich glaube, ich habe auch ein Problem damit, wenn ich das Gefühl bekomme, jemand will mir etwas wegnehmen oder verbieten.

      Ich weiß nicht, ob das mit meiner Mutter zusammenhängt. Sie hat selbst schon lebenslang ein Gewichtsproblem, und meine Geschwister und ich waren deshalb früh mit Geboten und Verboten beim Essen konfrontiert. Meine Mutter hat sogar irgendwann das gemeinsame Abendessen abgeschafft. Danach ist dann immer jeder selber in die Küche geschlichen und hat sich eben trotzdem was geholt. Jedes Essen war aber immer mit dem Gedanken verbunden, dass es schlecht, ungesund oder verboten ist.

      Heute will ich mir nichts mehr verbieten, und ich glaube, das ist ein ziemliches Problem bei mir. Ich kann keine Verbote und Gebote mehr annehmen, nicht einmal von mir selber.
      Obwohl ich diese Vermutung habe, woher das kommt, kann ich es trotzdem bisher nicht ändern, weil das emotionale Bedürfnis einfach da ist.

      Elelen schrieb:

      Und daher denke ich auch, dass das aus der Psyche kommt und man da tief graben muss um die Ursachen aufzudecken und abzuklären.
      Machst du dann zusätzlich eine Therapie, damit du nicht in alte Muster zurückfällst?

      Wie war es am Anfang nach der OP, konntest du da plötzlich auf das abendliche Ritual verzichten, ohne dass dir was gefehlt hat?

      TT887 schrieb:

      Dann kreisen alle Gedanken auch nur noch um die Nahrungsaufnahme und die Essensmenge.
      Genau. Wenn sich der Gedanke bei mir an etwas Essbares erst im Gehirn festgesetzt hat, dann kann ich mich kaum mehr davon ablenken, er ist ständig da und hört erst auf, wenn ich mir das Essen hole, an das ich gedacht hatte.

      TT887 schrieb:

      Dann habe ich auf konventionelle Art und Weise abgenommen und kam durch die Suchtverlagerung über die Sportsucht zur Anorexie.
      Da hänge ich aktuell fest.
      Okay, das ist auch nicht gut. Sportsucht kann ich mir bei mir persönlich nicht vorstellen, Ich bewege mich zwar eigentlich schon gerne, wenn ich erst mal in Bewegung bin, aber ich habe eine hohe Hemmschwelle, damit anzufangen. Derzeit ist Bewegung auch immer mit Schmerzen verbunden, so kann ich nicht sehr viel machen.

      Was tust du aktuell dagegen?
    • @Tamiko
      Die Geschichte mit deinem Elternhaus finde ich ja für mich persönlich auch total spannend.
      Ich war ja schon in meiner Kindheit massiv übergewichtig und deswegen wurden mir auch von meiner Mutter sehr viele Essensverbote erteilt und permanente Moralpredigten gehalten.
      Ich bin mir sehr sicher, dass sich diese Ereignisse in meiner kindlichen Psyche damals als Traumata manifestiert haben und auch jetzt im erwachsenen Alter noch sehr hartnäckig in meiner Psyche herum spuken.
      Mittlerweile habe ich nämlich diese mütterliche Komponente in meiner Psyche übernommen und bin es selbst, die sich die härtesten Verbote auferlegt und sich die größten Standpauken hält.

      Bei mir sind diese kreisenden Gedanken um die Nahrungsaufnahme definitiv totales Suchtverhalten.
      Das geht bei mir so weit, dass ich wie im Wahn stundenlang Lebensmittel zubereite, um ihnen einfach nahe sein zu können.
      Dabei berieche und streichele ich sie sogar, einfach um diesen zwanghaften Kontakt zu ihnen zu wahren, wenn ich mir schon ihren Verzehr verbiete.

      Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal von Sport abhängig werden könnte.
      Zwar habe ich mich auch immer viel und gern bewegt, aber irgendwann kippte dieses entspannte Verhältnis dann auch in Zwangsverhalten. Ständig musste ich die Schlagzahl der Übungen erhöhen, habe die Trainingsdauer erhöht und so schleichend viel von meinem Sozialleben eingebüßt.
      Dann habe ich das Problem realisiert und es rigoros von einem Tag auf den anderen abgestellt (quasi kalter Entzug).
      Klappte bestens, aber schaffte den nötigen psychischen Raum für "Ana".
      An diesem Punkt hänge ich aktuell fest.
      Ich reflektiere möglichst viel und gehe mit aller Kraft dagegen vor, sodass ich mir zumindest gewisse Spielräume schaffen konnte.
      Ich spreche auch offen über diesen Sachverhalt und werde glücklicherweise sehr feinfühlig von meinem Umfeld unterstützt.
      Momentan habe ich mich so damit arrangiert, dass ich vorerst so leben kann, bis ich diese Wurzel komplett freigelegt und aus meiner Psyche herausgerupft habe.
    • Meine Naschsucht, Kopfhunger...kommt wirklich vom Kopf und überfällt mich auch immer abends oder/ und wenn ich mich einsam fühle oder aber mich tierisch über etwas ärgere und dadurch gestresst bin.

      Ich kann das auch nich wirklich beeinflussen. Manchmal kann ich mich mit plötzlichen Sauberkeitsfimmel ablenken, dann mach ich Wäsche, putze oder räum auf.
    • Das ist ja mal ein interessanter Thread-danke dafür. Mir hilft es die Geschichten von anderen dazu lesen. Ich merke teilweise bestehen die gleichen Probleme, Ängste wie bei mir.

      Ich hab 2012-2013 fast 50 kg konventionell abgenommen durch Low Carb und 5xSport pro Woche. Dann 2 WHO's in 2014. 2015 Burnout/Depression und 5 monatige stationäre Reha. Momentan wiege ich wieder 12-15 kg mehr und drehe fast durch. Habe mit Selbsthass zu kämpfen und mache mich selbst täglich nieder. Mein innerer Kritiker hat mich wieder voll im Griff und schadet mir emotional sehr!!! Essen regelt wieder zunehmend Gefühle was scheisse ist! Macht mich vordergründig "ruhig".

      Tagsüber auf der Arbeit komme ich prima fast ohne Essen aus (Ablenkung) aber auch bei mir ist es abends so, dass alle Gedanken nur noch um das Essen kreisen!! Mein normalgewichtiger Partner hat keine Probleme mit Zunahme und isst munter vor sich hin. Das ist für mich die Hölle ehrlich gesagt und auch die Wochenenden sind essenstechnisch für mich ne Katastrohe weil ich kochen und essen "muss". Zumindest meine ich das-er verlangt es nicht mal von mir. Auch hier mache ich mir den Stress und das Problem letztlich selbst.
      Dazu bin ich jetzt auch in den Wechseljahren seit ein paar Monaten und kann mich auch aktuell null aufraffen für Sport! On top hab ich rechts ne Kalkschulter, die teils heftige Beschwerden bereitet. Aber Ausdauersport z.B. Laufband könnte ich schon machen im Studio! Wie gesagt....könnte...wenn ich mich nur aufraffen würde.
      Mein Essverhalten ist definitiv gestört und aus der Reha wurde ich u.a. mit der Diagnose "atypische Essstörung" entlassen. Auch ohne Ana, Binge eating oder ähnliche Essstörung habe ich doch auch eine gestörte/krankhafte Einstellung zum Essen.
      Würde ich nur essen wenn ich wirklich Hunger hätte dann käme ich mit 1 Mahlzeit am Tag gut hin und vermutlich würde dann auch das Gewicht nicht so ansteigen wie es seit 1,5 Jahren peu a peu wieder passiert.
      Ich wünsche allen viel Kraft und Erfolg auf Ihrem eigenen, individuellen Weg!

      Es grüsst,
      die Hummel
    • Das finde ich auch interessant.
      Ich ertappe mich in letzter Zeit auch regelmäßig dabei, dass ich es mit der Hygiene im Haushalt und generell mit dem Haushalt echt übertreibe.
      Auf der einen Seite finde ich das sogar gut, weil die Bude immer schön aufgeräumt und sauber ist.
      Auf der anderen Seite weiß ich aber zu gut, dass ich jetzt nicht der nächsten Suchtverlagerung auf den Leim gehen darf.
    • @Hummel1969
      Ich finde diesen Thread auch total aufschlussreich und mir hilft er auch sehr, meine Gedanken zu ordnen und zu reflektieren.

      Das "Problem" mit dem Partner habe ich auch, nur genau umgekehrt.
      Er hat viel Übergewicht, möchte gern abnehmen und ich neige mittlerweile vermehrt dazu, mein gestörtes Essverhalten auch hier zu kompensieren.
      Ich biete ihm ständig etwas zu essen an, in der Hoffnung, all meine geliebten Speisen zubereiten zu dürfen, ihnen nahe sein zu können und meinen Verzicht dadurch zu kompensieren, dass ich ihm beim genüsslichen Verzehr zusehe.
      Ich weiß selbst, dass mein Verhalten total krank und für ihn kontraproduktiv ist, aber glücklicherweise lässt er sich von mir nicht verleiten.
      Er grinst dann immer nur lieb und wir sprechen als Ersatzbefriedigung für mich intensiv über das Essen.

      Ich wünsche auch jedem Betroffenen alles Liebe und Gute sowie ganz viel Kraft, dieses Verhalten nachhaltig an der Wurzel besiegt zu bekommen!
    • Hallo Tamiko,

      nein, ich mache keine Therapie. Ich hatte in den letzten Jahrzehnten mehrere Therapien und ich habe das alles über. Ich bin als Kind / Jugendliche mehrmals in sehr schwierige Situationen geraten und habe das lange Jahre mit mir rumgetragen. Inzwischen bin ich drüber weg und weiss, dass das nicht meine Schuld war. Ich mag auch nicht mehr drüber reden, das ist alles Vergangenheit.

      Ich kaufe keine Speisen mehr, die ich abends ins Fress-Wellness einbinden könnte. Wenn es mich packt, gibt es Vollkornzwieback ohne was drauf und stark verdünnten Saft und das reicht mir dann auch. Ich bekomme unerträgliches Sodbrennen, wenn ich kurz vom Schlafengehen noch esse oder trinke und daher bin ich abends auch zeitlich begrenzt in den Fressanfällen. Tagsüber bin ich ohnehin vernünftig.

      Bei uns daheim durften wir als Kinder nicht selbständig an Kühlschrank oder Vorratsschrank gehen. Alles war reglementiert und dem Vater vorbehalten, der als Ernäher den Tag schwer für und schuftete. Hiess es zumindest. Wir bekamen Mahlzeiten vorgesetzt und ausser diesen gab es nichts für uns zu essen oder zu trinken (Wasserhahn ging natürlich immer). Als ich auszog, ernährte ich mich lange Zeit nur von Kuchen, Bohnen mit Tomatensosse aus der Dose und Schokolade. Später dann, mit eigener Familie, habe ich zumindest versucht, vernünftige Ernährung einzuführen. Bis auf das abendliche Fressen gelang mir das auch ganz gut.

      @TT887: ich koche und backe auch wie verrückt, hätte ich früher im Leben nicht gemacht. Ich habe hier drei Esser, die das alles dankbar annehmen, aber ich sehe auch das "dicke" Ende für die drei. Ich muss das mal wieder einschränken. :D
      Liebe Grüsse

      Elelen :hallo:


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      28.09.2017, OP-Gewicht: 131,7 BMI 46,6 Körpergrösse: 1,68 m
      31.12.2017 111,5
      18.01.2018 108,7
      31.01.2018 104,6
      08.10.2018 88,0
      20.01.2019 82,0 BMI 29,0
      01.04.2019 79,0
      01.05.2019 77,8
      01.07.2019 76,2
      01.08.2019 74,0 BMI 26,2
      01.09.2019 72,0
    • @Elelen
      Bei mir ist das auch richtig exzessiv.
      Früher waren Fertiggerichte und Mikrowelle meine ständigen Begleiter.
      Heute können Kochen und Backen gar nicht lange genug dauern und die Gerichte gar nicht kompliziert bzw. aufwendig genug sein.
      Gerade kann ich das wegen meiner Brust-OP nicht ausleben und bin richtig zittrig deswegen.
      Ich schleiche ständig in die Küche und muss andauernd gucken, was mein Mann da köchelt.
      Zum Glück nimmt er das mit einer Engelsgeduld, drückt mir meine Tasse Kaffee in die Hand und macht unbeirrt weiter^^
    • TT887 schrieb:

      Ich war ja schon in meiner Kindheit massiv übergewichtig und deswegen wurden mir auch von meiner Mutter sehr viele Essensverbote erteilt und permanente Moralpredigten gehalten.
      Bei uns waren zunächst nur meine Eltern dick (beide), wir Kinder waren schlank. Aber trotzdem bekamen wir eben auch immer alle Ernährungsregeln und Einschränkungen mit, und ständig mit der Warnung "ihr müsst aufpassen, dass ihr nicht auch dick werdet". Das war wohl wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

      TT887 schrieb:

      Das geht bei mir so weit, dass ich wie im Wahn stundenlang Lebensmittel zubereite, um ihnen einfach nahe sein zu können.
      Ich dagegen könnte nicht so viel Zeit mit Lebensmitteln verbringen, ohne sie zu essen. :-)
      Beim Kochen bin ich eher faul und unorganisiert. Ich esse auch oft nur was aus Konserven oder Tiefgefrorenes.

      Kokosmaus schrieb:

      Ich kann das auch nich wirklich beeinflussen. Manchmal kann ich mich mit plötzlichen Sauberkeitsfimmel ablenken, dann mach ich Wäsche, putze oder räum auf.
      So ein Sauberkeitsfimmel wäre bei mir auch gut. Leider bin ich zusätzlich auch noch sehr bequem. Wenn ich die Wahl habe zwischen Aufstehen und etwas aufräumen oder Liegenbleiben, dann bleibe ich lieber liegen...
      Aber ich glaube, das liegt bei mir auch daran, dass ich durch das restliche Leben mit den Energiereserven immer am Limit war und bin. Abends wollte und will ich mich nur noch betäuben.
      Seit ich 12 war, war ich auch immer mehr oder weniger depressiv, wobei es aber nie so schlimm war, dass ich deswegen in Behandlung war. Ich bin erst jetzt in meiner ersten Therapie, und da geht es auch nicht in erster Linie um Depression (irgendwie kann ich nicht rüberbringen, wie ich mich fühle, daher habe ich nach wie vor keine Depressions-Diagnose, sondern die Vorstufe "Anpassungsstörung").

      Hummel1969 schrieb:

      Ich hab 2012-2013 fast 50 kg konventionell abgenommen durch Low Carb und 5xSport pro Woche.
      Das finde ich sehr beeindruckend!

      Hummel1969 schrieb:

      Dazu bin ich jetzt auch in den Wechseljahren seit ein paar Monaten und kann mich auch aktuell null aufraffen für Sport!
      Das fängt bei mir auch demnächst wahrscheinlich an (bin 45), und mir ist schon etwas bange, weil ja viele erst in den Wechseljahren zunehmen, sogar die, die vorher schlank waren. Wie wird das dann bei mir werden?

      Hummel1969 schrieb:

      Tagsüber auf der Arbeit komme ich prima fast ohne Essen aus (Ablenkung) aber auch bei mir ist es abends so, dass alle Gedanken nur noch um das Essen kreisen!!
      Es ist, glaube ich, nicht nur die Ablenkung, es ist auch Gewohnheit, zumindest bei mir. Ich esse nämlich auch an freien Tagen tagsüber normal oder eher wenig, und abends geht es dann los. Tagsüber denke ich einfach nicht so ans essen.

      Hummel1969 schrieb:

      Mein Essverhalten ist definitiv gestört und aus der Reha wurde ich u.a. mit der Diagnose "atypische Essstörung" entlassen. Auch ohne Ana, Binge eating oder ähnliche Essstörung habe ich doch auch eine gestörte/krankhafte Einstellung zum Essen.
      Ich habe den Eindruck, dass Essstörungen noch lange nicht ausreichend erforscht sind. Ich denke, dass jeder, der so viel an Gewicht zunimmt (BMI über 30 oder so), in irgendeiner Weise ein gestörtes Essverhalten hat, und in vielen Fällen lässt sich das eben nicht einfach mit Ernährungsberatung und etwas guten Willen verändern. Es wäre toll, wenn es mehr Therapien gäbe, die sich mit genau diesem Problem befassen und wirklich hilfreiche Strategien vermitteln könnten.

      In meiner Verhaltenstherapie kam der Therapeut anfangs auch nur mit Low Carb Ernährungsempfehlungen daher, da war ich schon enttäuscht. Ich glaube, er versteht auch bis heute nicht, dass mir Ernährungsempfehlungen nichts helfen, weil das Problem woanders liegt.
      Vielleicht wäre eine tiefenpsychologische Therapie hier wirklich besser.

      Elelen schrieb:

      Ich kaufe keine Speisen mehr, die ich abends ins Fress-Wellness einbinden könnte. Wenn es mich packt, gibt es Vollkornzwieback ohne was drauf und stark verdünnten Saft und das reicht mir dann auch. Ich bekomme unerträgliches Sodbrennen, wenn ich kurz vom Schlafengehen noch esse oder trinke und daher bin ich abends auch zeitlich begrenzt in den Fressanfällen.
      Das Problem mit dem Sodbrennen habe ich auch, aber nur bei bestimmten Nahrungsmitteln, z.B. vertrage ich Käse sehr schlecht, und auch Obstsäfte. Wenn ich aber ganz akut Lust auf Käse bekomme, esse ich ihn trotzdem.... bisher half Omep, aber in letzter Zeit auch nicht mehr so gut.

      Elelen schrieb:

      Bei uns daheim durften wir als Kinder nicht selbständig an Kühlschrank oder Vorratsschrank gehen.
      Das war bei uns auch so. Süßigkeiten durfte nur meine Mutter holen oder wir mit Erlaubnis meiner Mutter.
      Da kommt mir der Gedanke, ob es auch sein könnte, dass ich mir selber die Regulierung meines Essverhaltens nicht zutraue, weil meine Mutter es mir nie zugetraut hat? Oder weil sie vorgelebt hat, dass sie es selbst nicht kontrollieren kann? Denn dick war sie ja trotzdem immer, trotz all ihrer Bemühungen. Ich habe meiner Mutter jahrelang beim Scheitern zugesehen.
      Allerdings muss ich sagen, dass meine Mutter wesentlich mehr Disziplin hat als ich. Sie schafft es wirklich, zeitweise auf bestimmte Dinge zu verzichten. Seit einiger Zeit muss sie auch glutenfrei essen, das schafft sie problemlos, ich hätte größte Schwierigkeiten damit.
    • Deine und meine Mutter scheinen so einige Gemeinsamkeiten zu haben, wenn ich das hier so lese.
      Ich halte es durchaus fur möglich, dass bei uns beiden in früher Kindheit durch unsere Mütter erste Bausteine zu psychischen Problemen bis hin zur Essstörung gelegt wurden.
      Zumindest in meinem Fall bin ich mir sehr sicher, dass es so war.